Hans Jürgen Kallmann

* 20.05.1908, † 06.03.1991

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Hans Jürgen Kallmann (Wallenberg) kam am 20. Mai 1908 in Wollstein/Posen zur Welt. Sein Vater war Arzt, seine Mutter entstammte der Familie des Biedermeier-Malers von Kügelen. Die Familie wurde aus Polen nach Halle an der Saale vertrieben, wo Hans Jürgen Kallmann aufwuchs und zunächst acht Semester Medizin studierte. Gleichzeitig bildete er sich künstlerisch als Autodidakt weiter und arbeitete ab 1930 als freischaffender Maler in Berlin. Schon früh war es vor allem das menschliche Gesicht, dem er seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Sein Interesse dabei war, über das Gesicht als Spiegel der Seele, das Wesen des Menschen zu erfassen. Mit dem Porträt der Schauspielerin Tilla Durieux, das in den Halleschen Nachrichten abgedruckt wurde, erreichte er zum ersten Mal Bekanntheit. Danach gelang es dem jungen Künstler im Alter von 22 Jahren, den über Jahrzehnte führenden Vertreter des deutschen Impressionismus, Max Liebermann, zu porträtieren. Aus dieser Begegnung entwickelte sich ein länger andauernder Kontakt der beiden Künstler. In dieser Zeit malte er auch Käthe Kollwitz, Ernst Barlach und Christian Rohlfs. 1935 erhielt Hans Jürgen Kallmann den Rompreis der Berliner Akademie der Künste. Im selben Jahr war er der letzte deutsche Preisträger der US-Abraham-Lincoln-Stiftung. Seinen Ruf machten 1937 die Nationalsozialisten durch die Abstempelung seiner Arbeiten als ”entartet” zunichte. Während der Kriegsjahre lebte der Künstler unter schwierigen Bedingungen in Berlin, von 1945-48 ging er nach Tarrenz/Tirol. Schlagartig bekannt wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Veröffentlichung seiner Pastellzeichnung eines Schimmelfohlens in der "Neuen Zeitung". Die Redaktion erhielt daraufhin 10.000 Leserbriefe, an Kallmann persönlich schrieben fast 2000 Menschen. Ein Jahr später eröffnete der Kölnische Kunstverein eine Ausstellung mit 68 Werken des Künstlers in der Kölner Hahnentorburg. Dort zeigte er Pastelle mit Figuren aus der europäischen Geschichte zusammen mit Zeichnungen aus der Umgebung von Florenz, Landschaften und Tierdarstellungen. 1948 berief man Kallmann an die Kunstakademie in Caracas/Venezuela, an der er drei Jahre lang lehrte. Der Künstler kehrte 1952 nach Deutschland zurück und lebte seitdem in Pullach bei München. Dort begann sein Aufstieg als Bildnismaler. 1956 porträtierte er Theodor Heuss in der Villa Hammerschmidt in Bonn. Auch Konrad Adenauer, Otto Hahn, Ernst Jünger, Konrad Lorenz, Carl Orff, Papst Johannes XXIII. u.a. bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens saßen dem Künstler Modell. Das Oberhaupt der katholischen Kirche hatte es dem Künstler ermöglicht, ihn acht Tage lang täglich zwei Stunden zu malen. Die Zeichnungen und Bilder, die während dieser Sitzungen entstanden, stellte 1960 das Kölner Wallraf-Richartz-Museum aus. In die 1960er Jahre fällt auch der Porträtauftrag der Universität zu Köln für das Bildnis von Theodor Schieder.

Zeit seines Lebens blieben Darstellungen von Menschen der Mittelpunkt im Werk Kallmanns. Der Tod und seine Überwindung spielen darin eine besondere Rolle, weshalb es häufig alte Menschen waren, die er malte. In seinem Werk finden sich auch zahlreiche Selbstporträts. Darüber hinaus schuf Kallmann Landschaften, in denen er die Bedrohung durch die Naturgewalten thematisierte, Tierbilder von Eulen, Wölfen, Affen und Pferden, deren dämonische Wildheit der Künstler besonders herausarbeitete. Von einem anfänglichen expressiven Realismus kam er in den 1960er und 70er Jahren zu einem immer energievolleren Farbauftrag. Den geschlossenen Umriss und die glatte Oberfläche löste er auf und verwendete meist kräftige Farbtöne. Auch wenn sich dadurch eine fast abstrakte Formulierung der Gesichter in seinen Bildern ergibt, blieb seine enorme Sicherheit in der zeichnerischen Beschreibung seines Gegenübers bestehen. In seiner Autobiografie mit dem Titel "Der verwundbare Stier" von 1980 wird die Fähigkeit Hans Jürgen Kallmanns, die physiognomischen Details exakt zu analysieren und zu beschreiben, auch auf sprachlicher Ebene deutlich. 1973 erhielt Kallmann den Bayerischen Verdienstorden und 1977 die Goldene Medaille der Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung. 1990 wurde dem Künstler das Große Bundesverdienstkreuz verliehen, im gleichen Jahr der Bau des Kallmann-Museums in Ismaning begonnen, dessen Vollendung der Künstler nicht mehr miterlebte. Er starb am 6. März 1991 in Pullach im Isartal.

Quellen: Katalog: Hans Jürgen Kallmann, Köln, Kölnischer Kunstverein 1947; Horst Kelller: Gerda Haddenhorst: Hans Jürgen Kallmann. Was ist aus ihm geworden?, München 1978; Hans Jürgen Kallmann: Der verwundbare Stier, München 1980; Hans Jürgen Kallmann: Menschengesichter, München 1983; Kat.: Hans Jürgen Kallmann, München, Galerie Wolfgang Ketterer, 1988; Kat. Zeitgeschichte im Porträt, Ismaning, Kallmann-Museum, 1998.